Wednesday, January 20, 2016

Offener Brief an Gregor Gysi zum Thema Geld, Zinsen und Kredit

Lieber Herr Gysi. Ich habe soeben hier: http://www.linksfraktion.de/reden/weil-ihnen-banken-lobby-regiert-nicht-selbst/ eine Rede von Ihnen gelesen und möchte auf einen massiven Fehler in Ihrer Argumentation hinweisen. Sie bringen das Beispiel, daß Geschäftsbanken sich bei Zentralbanken Geld für 1% leihen, und es dann für z.B. 10 Prozent an einen notleidenden Staat weiter verleihen. Nun sollte man meinen 900% Gewinnmarge wären schlimm genug - wo gibt es so etwas sonst, ohne etwas zu produzieren oder irgend einen Mehrwert zu schaffen. Nur ist die Wirklichkeit viel schlimmer, und selbst in diversen Standardwerken der VWL (etwa Samuelson/Nordhaus: ECONOMICS) ist dies falsch dargestellt.
Tatsächlich sind Geschäftsbanken nur sehr begrenzt auf Zentralbankgeld angewiesen und müssen gemäß Basel Akkord nur eine risikoabhängige Mindestdeckung hinterlegen. Diese liegt im Schnitt um die 2%, je nach Risikoeinstufung auch bei Null oder 10%. Diese minimale - und letztlich aus einer Selbstverpflichtung erwachsene - Mindestdeckung durch Zentralbankgeld bzw. Eigenkapital hat zwei ganz wesentliche Effekte: Zum einen ist es ein gigantischer Profithebel für die Banken. Das geliehene Zentralbankgeld - oder auch das vorhandene Eigenkapital - kann vielfach verliehen werden. Da haben wir dann keine 900% Gewinn auf die "Einkaufskosten" des Geldes, sondern auch schnell mal 50.000 % (in Worten: Fünfzigtausend Prozent). Das ist der eine Effekt. Der andere Effekt ist der einer selbsterfüllenden Prophezeiung: die Zinsen, die eine Bank von einem Kreditnehmer verlangt, werden nach dem Risikoprofil des Kreditnehmers bemessen, und das gilt für Privatpersonen bekanntlich ebenso wie für Unternehmen und Staaten. Bei der Triple A Bewertung eines Staates gehen die Zinsen gegen Null, macht aber nichts, denn die zu hinterlegende Sicherheit für einen Kreditbetrag ist = 0. Einem reichen Staat kann also eine Bank praktisch ohne Limit Kredite (echtes Geld ist das nicht) zur Verfügung stellen, ohne daß sich das Ausfallrisiko dieses Staates nennenswert erhöht. Schließlich sind die Zinsen entsprechend niedrig. Da Die Bank Zinsen bekommt, ohne selbst ein Risiko einzugehen oder irgendwelche Kapitalkosten zu haben ist das dennoch ein gutes Geschäft. Der zweite Effekt, die selbsterfüllende Prophezeiung - und meines Achtens ein Verstoß gegen das grundgesetzliche Gleichbehandlungsprinzip - kommt durch die Ungleichbehandlung ins Spiel: Während das ohnehin leistungsfähigere Deutschland beispielsweise fast keine Zinsen zahlt muß Griechenland tief in die leeren Taschen greifen. Man muß kein mathematisches Genie sein, um zu verstehen, daß die aufgrund des hohen Ausfallrisikos höheren Zinsen das Eintreten des Ausfallrisikos letztendlich überhaupt erst bewirken. Das Risikomanagement verstärkt – oder erzeugt gar selbst erst – das Risiko. Bei Unternehmen ist es dasselbe: Wenn zwei Unternehmen im selben Markt konkurrieren kann das finanzstärkere immer gegenüber dem finanzschwächeren auftrumpfen, da das finanzschwächere mit sehr viel höheren Kapitalkosten bei der Beschaffung von Zwischenfinanzierungen kämpfen muß - oft übersteigen dann die Kapitalkosten die Gewinnmargen und besiegeln das Ende eines Unternehmens. Dadurch wird systematisch weltweit der Wettbewerb auf allen Ebenen massiv zugunsten finanzstärkerer Akteure verzerrt. Profiteure sind meiner Erfahrung nach lediglich Banken und sogenannte "Unternehmensberater" und „Sanierer“, deren Aufsicht notleidende Unternehmen zwangsweise von den Banken unterstellt werden. Aber der wichtigste Punkt bleibt die Schaffung von Kreditgeld aus dem Nichts mit ihrer unvorstellbaren Hebelwirkung. Meiner Ansicht nach ist unser Finanz- und Bankensystem (unser = das weltweite) die zugrundeliegende Wurzel eines Großteils der Menschheitsprobleme - von sozialer Ungerechtigkeit über kriegerische Auseinandersetzungen bis hin zu Umweltzerstörung und globalem Klimawandel. Es letzt sich alles in ganz wesentlichem Ausmaß zurückverfolgen zu der Art und Weise wie Geschäftsbanken „Geld“ erzeugen. In Wahrheit handelt es sich bei den Zahlen auf unseren Konten nicht einmal um Geld im Sinne eines gesetzlichen Zahlungsmittels, sondern lediglich um virtuelle private Schuldscheine. Wir bezahlen mithin nicht Zinsen für geliehenes Geld, sondern dafür, daß uns die Privatbanken Schuldscheine aushändigen.
 
Auf einen derartig ausgefuchsten Betrug muß man erstmal kommen. Wer die Darstellung nicht glaubt kann gerne bei einer weit detaillierteren Ausführung der Bank of England nachhaken. Es lohnt sich, das komplette Paper zu lesen. Werden nach Strich und Faden betrogen.
 

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