Die politische Situation ist
verworren und verlogen. Tony Blair gab jüngst zu, daß der Irakkrieg
letztendlich die Ursache für den Aufstieg von ISIS und die
Destabilisierung der ganzen Region sei. Nicht, daß dies nicht
offensichtlich wäre. Von einem Fehler mag er nicht reden - schließlich
könnte Großbritannien zusammen mit den USA zumindest moralisch in die
Haftung genommen werden.
In der EU wird der Ruf nach dem "Schutz
der Außengrenzen" lauter, und das nicht gegen einen militärischen
Angriff, sondern gegen verzweifelte, frierende Menschen, die hunderte,
teils tausende von Kilometern zu Fuß zurücklegen, um ihr nacktes Leben
zu retten. "Außengrenzen schützen" ist nichts anderes als die Forderung
danach, hunderttausende von Menschen in Lager zu internieren, oder im
Sinne des Wortes im kalten Regen stehen und am langen Arm verhungern zu
lassen. Wir haben es mit einer humanitären Katastrophe größten Ausmaßes
zu tun, wie sie allerdings andernorts auf der Welt immer wieder zum
Normalzustand gehört hat und auch jetzt gehört - man denke an den Sudan,
und an die Tsunami, Erdbeben- und Sturmkatastrophen der letzten Jahre
in Asien. Diesmal lässt sich das Gewissen nicht mit einer 20 Euro
Spende an "Deutschland Hilft" beruhigen.
Die Reaktion der
Bevölkerung der EU ist ein Rechtsruck, das gesamtgesellschaftliche
Äquivalent zum Cocooning. Das ist die Antwort eines kleinen Kindes, das
glaubt, es sei unsichtbar wenn es die Augen verschließt. Die Monster der
Erwachsenenwelt aber sind real. Wenn die EU versagt, ist auch Europas
Rolle in der Weltgeschichte zu ende. Im Vergleich zu den "Big Players"
unserer Zeit ist selbst das ökonomisch aufgeplusterte Deutschland nur
mehr ein politischer Zwerg. Die tatsächlichen Angriffe auf Europa kommt
von Innen - durch die eigene zaghafte Bevölkerung und eine EU
Kommission, die demokratische Grundprinzipien für politisch motivierte
Handelsabkommen (CETA, TTIP, TISA) zugunsten der Macht transnationaler
Konzerne in den Wind schlägt. Hinzu kommt die seit mehr als einem Jahr
immer wieder ausufernde Aggressionsrhetorik der US-geführten NATO und
auch der US Regierung die wirkt, als gäbe es ein Interesse an einer
ausufernden militärischen Eskalation. Gerade jetzt braucht die Welt ein
starkes, moderates und humanistisches Europa das hinter seinen
Grundprinzipien steht und gewillt ist diese auch gegen innere und äußere
Widerstände aufrecht zu erhalten. Die Wähler und nationalistischen
Politiker einzelner EU Staaten begehen einen fatalen Fehler wenn sie
meinen ihre Souveränität würde durch einen neuen Nationalismus gestärkt.
Das Gegenteil ist der Fall, denn nur im Rahmen der EU lassen sich die
Interessen der Mitgliedsstaaten weltweit auch nur bemerkbar machen.
http://www.taz.de/Europa-in-der-Krise/!5242110/
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